Bocholt – Bochum – Duisburg – Bottrop – Bocholt
Bocholt – Pisa – Florenz – Rom – Bocholt, das waren die Stationen, die Reinhold als „Surprise-Tour“ im Hinterkopf hatte, als er sich beim Martinsgansessen im November um die Rammbahtourplanung 2008 bewarb und den Zuschlag gegen zwei Mitbewerber bekam. Tatsächlich eröffnete er der Runde beim Frühstück vor der Abfahrt, dass Bocholt – Bochum – Duisburg – Bottrop – Bocholt die diesjährigen Stationen sein würden – auch schön. Budget- und Terminzwänge (die Tour hätte sechs Tage dauern müssen, das paßte nicht bei allen) zwangen ihn, das ehrgeizige Auslandsziel schweren Herzens aufzugeben.
So ging’s zunächst mit dem Auto bis zum Schiffshebewerk Henrichenburg und von dort startete die Radtour nach Bochum. 65 km wurden an dem Tag noch geradelt, bei herrlichem Sommerwetter mit Spitzentemperaturen von über 30 Grad. Wir kamen nur langsam in Tritt und „mußten“ viele Getränke zu uns nehmen. Als jemand sagte „Wir haben 15“ und Jacques zurückfragte: „Gefahrene KM oder Uhrzeit?!“ (es war 14:40 Uhr…) dämmerte uns, dass wir doch noch ein bisschen Gas geben sollten. Aber es war nun einmal Biergartenwetter und das wollte ausgekostet werden. Lustig war’s vor allem bei den Anglerfreunden.
Das Kolpinghotel in Bochum stellte insbesondere den Tourältesten vor logistische Herausforderungen: (… nur eine Dusche pro 20 Zimmer am Ende des Flurs…“Mist schon besetzt, aber das Haus hat ja mehrere Etagen, probieren wir es eine oder zwei höher…aha, endlich in der 3. Etage ist die Dusche frei…aber: kein Handtuch, also wieder runter ins Zimmer im EG, dort das Handtuch von der doppelten Größe eines Waschlappens geschnappt…wieder hoch, aber: kein Duschzeug…nun, da gibt’s ja den Seifenspender auf der einzigen Toilette pro zwanzig Zimmer – am anderen Ende des Flures…also Seife in die eine Hand, dann zurück in die Dusche, dort ausziehen, mit einer Hand, die andere hält ja die Seife…usw..) Jedenfalls kamen wir alle irgendwann gut geduscht ins Bermudadreieck von Bochum, den ersten Event, den Reinhold eingebaut hatte. Wir erwiesen uns jedoch als Eventversager und -Verweigerer. Peinlich, peinlich…Einfach zu müde, um die tolle Kneipenlandschaft noch mal so richtig aufzumischen…
Am nächsten Tag stand die Durchquerung des Ruhrtales an, geplant war eine Fahrt von ca. 80 km bis nach Duisburg, am Abend waren es dann 99,6 km – und keinen Funken Ehrgeiz, die 100 km voll zu machen. Denn schon 15 Minuten nach Tourstart standen wir unter einer Bushaltestelle und warteten eine geschlagene Stunde Platzregen ab. Es regnete immer noch, als wir weiterfuhren – und hörte an dem Tag auch nicht mehr auf! Nur während der Mittagspause, kurz vor dem Baldeneysee, im warmen Restaurant, fiel der Regen weniger stark. In das Restaurant kamen wir, weil ein typischer Rammbah-Lerneffekt einsetzte: gab es noch am Vorabend, am Bermudadreieck in Bochum, 8 Meinungen bei 7 Teilnehmern und entsprechend mühseliges Einigen, wurde jetzt in 5 Sekunden per Mehrheitsbeschluss entschieden: „Rein oder nein?!“ Den Ausschlag gab die Stimme von Markus und er lieferte die Begründung: „Ich hab‘ mit Manni abgestimmt, weil ich auch mal eine Abstimmung gewinnen wollte!“ Die Temperaturen waren gegenüber dem Vortag auf die Hälfte gesunken. Wasser hatten wir also den ganzen Tag genug, aber Reinhold setzte einen drauf: als zweiten Event hatte er einen Tauchgang im Gasometer des Landschaftsparks Duisburg angesetzt. Echt faszinierend und beeindruckend war, dass die Jungs überhaupt nicht sauer waren, dass wir eine geschlagene Stunde zu spät ankamen (wir hatten uns verschätzt und verfranst…). Vorher kursierte der Spruch (Achtung: Bonmot!) „Das Tauchen fällt bestimmt ins Wasser…!“ Fiel es aber nicht, war echt klasse und der Abend klang in Restaurants und Kneipen im Neuen Hafen von Duisburg aus – also stilecht an diesem Tage mit Wasser um uns ringsherum.
Die direkte Fahrstrecke zum nächsten Etappenziel Gladbeck sind 15 km, aber Reinhold stemmte sich mit ganzer Kraft dagegen, jenen sagenhaften Negativ-KM-Rekord des Jahres 1994 (Sauerland) zu überbieten, als wir nach 48 km in Schmallenberg ankamen. Und so fuhr er einen Bogen nach dem anderen, jagte uns den/die/das Tetraeder hoch, wo wir den Ausblick über den „Pott“ genießen durften, dann noch hoch zur Skihalle, wo es Nachmittags aber noch nix zutrinken gab, wieder runter und einen Abstecher nach Bottrop-City, wo wir in einer Bowlinghalle einkehrten und zum guten Schluss hatten wir dann doch die von Reinhold ersehnten 52 km auf dem Tacho. Mittagspause war übrigens im Centro in Oberhausen, wo wir „eine Stunde zur freien Verfügung“ sprich: Verpflegungsaufnahme hatten und dann brav pünktlich wieder bei den Rädern eintrudelten. Der letzte Abendevent war dann die Skihalle in Bottrop. Die Skipiste schaffen geübte Skiläufer in 40 bis 60 Sekunden, dann geht’s mit dem Förderband wieder hoch, irgendwann ist der Reiz vorbei und man fragt sich auf der Skipiste, warum die hinter der Scheibe so rumhopsen. Dann ist man auch schon mittendrin, im „Hasenstall“ und erlebt, wie ca. 500 Menschen glauben, dass sie 200 Lieder auswendig mitgrölen können, nur der Typ, der direkt neben ihnen steht, kennt anscheinend kein einziges und deshalb brüllt man ihm den Text ungefragt ins Ohr. Irgendwann in den frühen Morgenstunden brüllen dann immer abwechselnd kleinere Gruppen von frierenden Menschen vor dem zugigen Ein- u. Ausgang, wenn endlich mal wieder ein Auto mit einem Schild auf dem Dach auftaucht, alle zugleich: „Mein Taxi!!!“
Nach der kurzen Nacht geht es zurück nach Bocholt, bei wieder schönem Wetter und diszipliertem Fahren machen die 65 km richtig Spaß. Die Pause in Marienthal ist klasse und das Abschlussbierchen am Aasee sowieso. Aufgrund leidvoller Erfahrungen aus dem Vorjahr („man lernt ja nie aus…!“) ruft auch keiner mehr bei Erreichen des Aasees sofort zuhause an um jenen Satz zu sagen, der Verzückung und offensichtlich eine gewisse zeitliche Erwartungshaltung bei den Frauen weckt: „Schatz, wir sind schon in Bocholt…“